Präventionsbeauftragter Schmidt im Interview:

Kann Clama das Dunkelfeld aufdecken und die

datenbasierte Präventionsarbeit unterstützen?

von: Simon Huck | Lesezeit: 10 Minuten

Präventionsbeauftragter Schmidt im Interview:

Kann Clama das Dunkelfeld aufdecken?

von: Simon Huck | Lesezeit: 10 Minuten

Überblick

In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die Arbeit von Arne Schmidt, dem Präventionsbeauftragten der Polizeiinspektion Lüneburg, Lüchow-Dannenberg-Uelzen. Er teilt seine Erfahrungen und beleuchtet die Herausforderungen, denen Schulen im Umgang mit Gewalt und Mobbing aus polizeilicher Sicht gegenüberstehen. Im Interview geht es besonders darum, seine Expertensicht auf die Web-App Clama zu beleuchten. Schmidt, der seit über 25 Jahren bei der Polizei tätig ist, unterstützt über 60 Schulen in der Prävention von Gewalt und Mobbing unter Jugendlichen. Zu seinen Aufgaben zählen der direkte Kontakt mit Schulen, Lehrkräften und Eltern sowie die Leitung von Arbeitskreisen im Kriminalpräventionsrat Lüneburg.

Warum werden wiederholte Gewaltvorfälle in der Schule oft zu spät erkannt?

Ein Problem ist die fehlende Zeit und die Gelegenheiten, sich über die kleinen Sachen auszutauschen und dadurch wird aus kleinen Sachen dann irgendwann etwas Größeres. Das muss aber rechtzeitig erkannt werden und dazu braucht man auch eine ordentliche Dokumentation.

Wie dokumentieren denn aus deiner Erfahrung die meisten Schulen Gewaltvorfälle?

Also ich kann für den Landkreis und die Stadt Lüneburg sprechen. Ich höre Ideen von, wir müssten mal eine Strichliste machen. Nicht umgesetzt. Es ist eher individuell geregelt, ob und wie Regelverstöße, Übergriffe, Grenzverletzungen dokumentiert werden. Was nicht schlimm ist, wenn gerade nichts passiert. Aber wenn es zu Vorfällen kommt, dann fällt Ihnen die fehlende Dokumentation schnell auf die Füße, wenn sie sich vier Wochen zurück erinnern müssen, was war da eigentlich mit den beiden.

Und was mir dort auffällt, dass dann zum Beispiel in Klassenkonferenzen, in Maßnahmenkonferenzen lange gesucht und zusammengetragen werden muss, was war denn eigentlich in den letzten 90 Tagen. Und das ist für mich als Polizeibeamter ein Stück weit befremdlich, weil wir bei der Polizei alles dokumentieren, was wir an Maßnahmen treffen. Möglichst lückenlos, um auch nicht angreifbar zu sein. Das fehlt mir tatsächlich in den Schulen.

Was für weitere Risiken siehst du denn dadrin, wenn wir eine unvollständige Dokumentation von Gewaltvorfällen haben?

Als Lehrkraft mache ich mich angreifbar. Wenn ich etwas gesehen habe und mir dazu keine Notiz mache, kann es sein, dass dieser Vorfall irgendwann zum Thema wird und ich nicht sprechfähig bin. Wir verlassen uns oft auf unser Gedächtnis und insbesondere auf unser Bauchgefühl und denken, dass wir Kleinigkeiten nicht dokumentieren müssen.

Welche Risiken siehst du da drin, wenn man sich zu sehr auf das Bauchgefühl verlässt?

Das Bauchgefühl ist total wichtig. Es geht ja hier um Menschen und um Menschen, die unsere Unterstützung brauchen. Das Bauchgefühl kann aber auch trügen. Das Bauchgefühl kann dazu führen, dass ich bestimmte Menschen mehr im Blick habe, andere aus dem Fokus geraten, weil es sehr subjektiv ist. Eine Dokumentation ist genau und objektiv. Und das braucht es gerade, wenn wir vernünftig Prävention und Intervention planen wollen. Da kann das Bauchgefühl manchmal der falsche Ratgeber sein. In anderen Sachen ist das Bauchgefühl ein total guter Ratgeber. Aber wenn es um diese wichtigen Dinge geht, muss beides mindestens nebeneinander gut funktionieren.

Welche Herausforderung bringt denn eine fehlende Dokumentation von Gewaltvorfällen mit Blick auf die Polizeiarbeit aus deiner Sicht mit sich?

Also insbesondere, wenn es sich um mögliche Straftaten handelt. Wenn die Polizei kommt, um einen Fall aufzuklären, haben wir sieben Fragen, die alle mit W anfangen: Wer hat wann, wo, was gemacht, wie, womit und warum?

Abb. 1: In Clama können Vorfälle mit 5 Klicks dokumentiert werden.

Und wenn eine Schule uns diese Fragen nicht beantworten kann, weil eine Dokumentation fehlt, dann können wir unsere Arbeit nicht gut machen. Dann fehlen uns die Informationen, die wir brauchen, um die Wahrheit zu finden. Und eine Schule macht unsere Arbeit deutlich einfacher, wenn sie uns diese Daten liefern kann. Möglichst auf Knopfdruck und davon sind wir noch sehr weit weg.

Warum hältst du Clama für ein empfehlenswertes Tool für Schulen?

Es ist der große Vorteil für mich, dass eben weg vom Stimmungsbild hin zu evidenzbasierten Eindrücken ganz klar wird, was sind Risikofaktoren, was sind Schutzfaktoren, wie geht es den Kindern und wie können wir wo gezielt mit Maßnahmen unterstützen. Ressourcen sind überall knapp. Und wenn ich ein Tool habe, was mir dabei hilft, die Ressourcen gezielt und sinnvoll einzusetzen, kann das nur gut sein.

Welche spezifischen Herausforderungen können denn dann mit Clama im Schulalltag gelöst werden?

Durch eine hoffentlich lückenlose Dokumentation aller Vorfälle erkenne ich Schwerpunkte. So könnte ich beispielsweise erkennen, in welchen Pausen ich an welcher Stelle im Schulgebäude mehr Aufsichtspersonen benötige, damit es zu weniger Ereignissen kommt. Das kann den Schulalltag erleichtern, weil ich meine Ressourcen, die knapp sind, gezielt einsetze.

Und mit Blick auf die Prävention von Gewalt, welche Herausforderungen können mit Clama gelöst werden?

Die große Herausforderung bei der Prävention ist es, die Zielgruppe zu erreichen. Und die Zielgruppe erreiche ich dann am besten, wenn ich deren Bedürfnisse gezielt angehen kann. Und das kann ich nur, wenn ich weiß, welches Gewaltphänomen an der Schule in der jeweiligen Klasse täglich, regelmäßig, wiederkehrend auftritt. Und das können mir Schulen oft nicht sagen. Wenn ich weiß, aufgrund einer Erhebung, was der tatsächliche Bedarf ist, kann ich gezielter reagieren.

Abb. 1: Automatische Auswertungen in Clama ermöglichen datenbasierte Präventionsarbeit.

Und wenn ich gezielt reagiere, treffe ich den Nerv, dann hole ich die Kinder ab und gebe ihnen das, was sie tatsächlich in diesem Moment brauchen. Und dadurch wird die Prävention nachhaltiger, erfolgreicher, sinnvoller und effektiv. Es würde erhebliche Ressourcen sparen, die in der Präventionsarbeit ohnehin knapp sind.

Glaubst du, dass Clama dabei helfen könnte, das Dunkelfeld bei Mobbing und Gewalt noch mehr ins Hellfeld zu bringen?

Wenn die App von allen möglichst umfangreich genutzt wird, dann kann ich Dinge, die vorher unter dem Radar waren, ins Hellfeld bringen. Da muss man aber vorsichtig sein. Es ist dann nicht schlimmer geworden, sondern man hat nur genauer hingeschaut.

Aber dann wird das Hellfeld größer, was nicht bedeutet, dass es schlimmer geworden ist, sondern nur, dass man genauer hinsieht und es auch ordnungsgemäß dokumentiert hat und damit seiner Informationspflicht nachkommt. 

Wie könnte Clama, konkret die Zusammenarbeit zwischen der Schule und der Polizei bzw. Justiz langfristig unterstützen?

Für die Zusammenarbeit im Rahmen der Repression kann so eine ordentliche Dokumentation mit den durchgeführten Maßnahmen in Clama für die Polizei und Gerichtsakte total hilfreich sein, denn das Jugendstrafrecht sieht ja vor, dass Maßnahmen, die in der Schule getroffen worden sind, mit im Gerichtsprozess in die Bewertung mit einfließen. Also wenn die Schule schon Strafmaßnahmen erhoben hat, kann das beim Urteil im Gericht abgezogen werden. Außerdem vermute ich, dass wenn eine Schule aussagefähig ist, wenn sie weiß, was war, wenn sie auf Knopfdruck alle Vorfälle parat hat, dann ist glaube ich auch die Schwelle geringer, an die Polizei heranzutreten.

Wie siehst du denn die zukünftige Entwicklung der Gewaltprävention an Schulen und welche Rolle kann Clama dabei spielen?

Gewaltprävention an den Schulen wird jetzt schon mehr nachgefragt. Die Entwicklung der Gewalt in der Schule nimmt zu, das wissen wir. Wir werden darauf reagieren und versuchen mehr anzubieten. Also unsere Kapazitäten werden erhöht. Wir versuchen die Kapazitäten und Ressourcen in diesem Bereich zu bündeln. Und dann erwarten wir auf der anderen Seite von Schulen, dass sie sich auch vorbereiten und uns genau sagen, in welche Richtung Prävention hier stattfinden muss. Und da kann Clama unterstützen, weil durch die Erhebung weiß die Schule, auf was wir uns mit den Präventionsmaßnahmen fokussieren müssen.

Was würdest du Schulleitungen und Lehrkräften sagen, die noch zögern, Clama einzuführen?

Clama kann ein hervorrangendes Tool sein, um Lehrkräfte ein Hilfsmittel beim Umgang mit Gewalt mitzugeben. Ich befürchte, dass Lehrkräfte manchmal aus Handlungsunsicherheit wegsehen. Ja, ich habe es gesehen, aber was soll ich tun? Das finde ich sehr schade, weil gerade die kleinen und jungen Menschen unsere Unterstützung brauchen. Und sie wollen, dass wir hinsehen und sie wollen auch von uns die Leitplanken links und rechts bekommen. Clama kann ein passendes Tool sein, was Lehrkräfte hier unterstützt.

Im Interview: Arne Schmidt

Arne Schmidt ist Präventionsbeauftragter der Polizeiinspektion-Lüneburg, Lüchow-Danneberg Uelzen. Seid über 20 Jahren unterstützt er Schulen im Bereich Gewaltprävention. Schmidt ist zertifizierte BECCARIA-Fachkraft und leitet im Kriminalpräventionsrat Lüneburg den Arbeitskreis Schule. 

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